Bereits zum dritten Mal versammelten sich die Forschenden der Technischen Universität München und von den Exzellenzuniversitäten aus Jerusalem, Oxford, Stanford, Paris und Zürich mit den beiden technischen Hochschulen aus Singapur in den Räumen der Heilbronner Experimenta. Der TUM Campus Heilbronn hatte geladen, und mehr als 80 Gäste folgten dem Leuchtsignal aus der Käthchenstadt. Mit Freude und auch etwas Stolz begrüßte Professor Ali Sunyaev, Vizepräsident TUM Campus Heilbronn, die weitgereisten Forschenden: „Dieses Forum basiert auf Zusammenarbeit: Wissenschaftlicher Dialog, praktische Erkenntnisse und neue Netzwerke ebnen den Weg für nachhaltige Innovationen.“
Aus diesem Grundgedanken und dem Wunsch, der freien Forschungsgemeinschaft einen sicheren Hafen zu bieten, wurde der „Joint Global AI Research Hub” ins Leben gerufen. Er besteht aus den Exzellenzuniversitäten ETH Zürich, Hebräische Universität Jerusalem (HUJI), HEC Paris, Nanyang Technological University (NTU), National University of Singapore (NUS), Stanford University, University of Oxford und natürlich dem TUM Campus Heilbronn. Vier gemeinsame Tage standen vor den Teilnehmenden, die es in sich hatten: „Lasst uns diese Gelegenheit durch inspirierende Vorträge, spannende Diskussionen und gemeinsame Momente optimal nutzen! Globale Denkweisen - Großartige Ideen - Echte Wirkung“, verkündete Sunyaev.
Anreise mit Hürden, Forschung ohne Grenzen
Nachdem die Wissenschaftler den Jetlag respektive die Seekrankheit aus den Gliedern geschüttelt hatten, bekamen sie zunächst einen kurzen Überblick darüber, was Heilbronn alles zu bieten hat. Der Geschäftsführer der Dieter Schwarz Stiftung, Professor Gunther Friedl, gab einen Überblick über das einzigartige Heilbronner Ökosystem: Von der Grundschule über die Programmierschule 42 bis hin zum Innovationspark Artificial Intelligence (IPAI).
In dem anschließenden Panel, die von Professor Jingui Xie, Professor für Business Analytics am TUM Campus Heilbronn, moderiert wurde, diskutierten die Teilnehmenden, wie eine ideale KI-getriebene Zukunft aussehen könnte. Die Wirtschaft wurde dabei von VDI-Präsident Lutz Eckstein vertreten, dem insbesondere die Erklärbarkeit und die Integration von KI-bezogenen Lerninhalten am Herzen lagen. Für die Forschung sprachen Professorin Yejin Choi aus Stanford und Professor Ali Sunyaev. Choi sah im Zugang für alle und einer Entzerrung der Macht – weg von Large Language Models, hin zu Small Language Models – Grundvoraussetzungen für eine nachhaltige Nutzung von KI.
Ali Sunyaev warnte: „KI ist keine Lösung für alles. Ein Messer kann ein hilfreiches Werkzeug sein, in den Händen der falschen Person wird es zur Waffe. Wir müssen eine verantwortungsvolle Nutzung fördern.“ Und das beinhaltet für Keynote-Speaker Professor Joachim Spatz vom Max-Planck-Institut für medizinische Forschung auch einen nachhaltigen Einsatz: Die Senkung des Energieverbrauchs ist für ihn unabdingbar. Vervollständigt wurde die Runde von Fikile Brushett, Chemieprofessor am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Er wurde im Rahmen des GTF mit dem Dieter Schwarz Courageous Research Grant ausgezeichnet, wodurch sich ihm Türen zu finanziellen Mitteln und einer Zusammenarbeit mit der TUM öffnen. Als „Fachfremder“ ist er fasziniert von den Möglichkeiten, beispielsweise Moleküle nachzubauen und zu testen.
Fordern und Fördern
Nach der anschließenden Tour durch das „Experimenta“ Science Center und über den Bildungscampus erhielten die Wissenschaftler noch einen kurzen Einblick in die Gründerszene des Ökosystems. Mit dem EIC Pathfinder Programm werden gezielt Wissenschaftstransfer-Initiativen, die ein hohes Risiko eingehen, mit bis zu vier Millionen Euro gefördert. Die TUM Venture Labs verstehen sich als Kompass für Wissenschaftler: Sie nehmen diese an die Hand und führen sie in die Welt der Gründerszene und Start-ups ein.
Nach all den Inputs war nun die Zeit für Outputs gekommen: Die erste Runde der Workshops begann, und in der Session „KI in Bildung“ wurden erste Erkenntnisse zu Chancen und Herausforderungen digitaler Unterstützung im Lernkontext gewonnen, während in der Session „KI in der Gesundheitsversorgung“ unter der Leitung von TUM-Professorin Luise Pufahl der Einsatz von Process Mining, KI-gestützter Entscheidungsfindung auf Intensivstationen, und die Gefahren des digitalen Helfers diskutiert wurden.
Zum Ausklang des Tages gab es regionale Küche und Wein, außerdem waren weitere Gäste aus der Wirtschaft anwesend, und in entspannter Atmosphäre in der Winery Albrecht Kiessling traf die Academia auf regionale Entscheidungsträger von SAP, Schunk, der Schwarz Gruppe, den TUM Venture Labs, dem IPAI, der Dieter Schwarz Stiftung, der Robert Bosch GmbH, Zeiss und Datev, sodass die Anwendungen ihren Weg zur Wissenschaft fanden.
Einblicke und Ausblicke
„Die TUM muss draußen bleiben“ galt am zweiten Vormittag. In internen Workshops diskutierten alle weiteren Partner des Joint Global Research AI Hubs mögliche Kooperationen und Forschungsansätze, die über den bisherigen Horizont hinausgehen. Wie aus Visionen Realität wird, erlebte die Gruppe im Anschluss im Innovationspark Künstliche Intelligenz (IPAI). Anschließend ging es bei der Firma Schunk in Brackenheim-Hausen vom Labor in die Fabrik, um Spitzenforschung und regionalen Mittelstand zusammenzubringen.
Den ausführlichen Bericht zum Firmenbesuch gibt es hier.
Wie gewohnt beim GTF folgten auf die Einblicke am Freitagmorgen erneut Ausblicke in Form verschiedener Workshops. Den roten Faden bildeten dabei zwei aufbauende Sessions zum Thema „KI in Bildung“ von und mit TUM-Professor Stefan Wagner. „Human-AI Interaction“ leitete Dr. Keja Hu aus Oxford, während Dr. Fabian Stephany, ebenfalls vom Oxford Internet Institute, das drängende Thema „AI in Work“ behandelte.
Am Anfang steht die Frage
Im Bereich „Human-AI Interaction“ betonte Keja Hu (Oxford), dass der Workshop große Chancen für gemeinsame Forschung und neue Ideen für wissenschaftliche Veröffentlichungen eröffnet, wobei Themen wie Systemdesigns, Rollenverständnis und die Orchestrierung von Mensch und Maschine im Mittelpunkt standen und die zentrale Frage lautete, wie Menschen mit und nicht nur von KI lernen. Bei „AI in Work“ zeigte Fabian Stephany, dass sich der Anteil der Tätigkeiten, für die KI-Kompetenzen verlangt werden, in den letzten zehn Jahren verdreifacht hat und damit die Frage wichtiger wird, inwiefern solche Fähigkeiten die Jobchancen verbessern, während akademische Bildung an relativer Bedeutung verliert und ein Mix aus klassischen Abschlüssen und modernen technologischen Skills entscheidend wird.
Unter dem Stichwort „KI in Bildung“ wurden in allen drei Sessions Leitfragen dazu diskutiert, welche Kernkompetenzen weiterhin vermittelt werden müssen und wie Lehre sinnvoll mit KI gestaltet werden kann, einschließlich Themen wie personalisiertes Lernen, die Weiterbildung von Lehrkräften, soziale Herausforderungen, der Umgang mit KI-generiertem Content sowie Fragen zu Chancengleichheit und Zugang; vorgeschlagen wurden eine Studie zur verbalen Bewertung von Denkprozessen und ein spielerischer Umgang mit Modellen, und als nächster Schritt ist die Koordination mit einer Workshop-Serie an der Stanford University geplant.
Mit vereinten Kräften
Das GTF unterstreicht die Rolle Heilbronns als aufstrebendes Technologie-Ökosystem. Professor Ali Sunyaev beschreibt das Forum als Think Tank, der Spitzenkräfte der Tech-Entwicklung zusammenbringt, und zeigte sich mit den Ergebnissen mehr als zufrieden: „Am Anfang war ich etwas skeptisch, aber jetzt bin ich überglücklich mit dem Erreichten – Glückwünsche an jeden Einzelnen. Wir sind sehr dankbar, dass sie ihren Weg nach Heilbronn gefunden haben.”
Internationale Gäste wie Guy Harpaz (Hebrew University), Andrea Masini (HEC Paris) und Vicki Nash (Oxford Internet Institute) zeigten sich beeindruckt von der „Roadmap” und dem sozialen Anspruch der Region. Dabei spielen die Dieter Schwarz Stiftung und der Bildungscampus, der ständig weitere Forschungseinrichtungen anzieht – von Fraunhofer über die ETH Zürich bis Max-Planck-Gesellschaft und imec, eine zentrale Rolle. Für die Gäste ist Heilbronn ein Modell gelungener Transformation, geprägt von Verantwortungsbewusstsein statt Hype, besonders im Umgang mit KI. Genau dafür steht das Global Technology Forum.
Schiff – Ahoi!