Wie drängend das Thema des Abends ist, zeigt ein aktuelles Beispiel: Ausgerechnet am Tag der Bürger-Uni von TUM Campus Heilbronn, Heilbronner Stimme und Dieter Schwarz Stiftung zum Thema „Lässt sich die Klimakatastrophe noch verhindern?“, wird in Heilbronn eine Hitzewarnung ausgerufen. Und doch verbreitet Gastredner Prof. Mojib Latif, den Gastgeberin Luise Pufahl, Professorin für Information Systems am TUM Campus Heilbronn, als „einer der renommiertesten Klimaforscher aus Deutschland“ ankündigt – Optimismus: „Ich könnte es kurz machen, ,ja‘ sagen und wieder gehen“, nimmt der studierte Meteorologe und habilitierte Ozeanograph die Antwort auf die übergeordnete Frage des Abends vorweg. Nur um bei der Veranstaltung auf dem Bildungscampus Heilbronn gleich einzuschränken: „Man kann mit Physik nicht verhandeln und Kompromisse schließen. Die Physik – wie auch das Klima und die Natur insgesamt – folgt ihren eigenen Gesetzen.“
Tatsächlich ist die globale Erwärmung alarmierend, wie der Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg mit einem Film zeigt, der die Entwicklung der Welttemperatur seit 1880 visuell darstellt: In den letzten Jahrzehnten nehmen immer mehr Regionen die Signalfarben Gelb, Orange und Rot an. Die Durchschnittstemperatur steigt dort also immer weiter an. Das gilt vor allem für Europa, dem Kontinent, der sich weltweit am stärksten erwärmt.
Dramatische Auswirkungen
Der globale Klimawandel ist in vollem Gange und seine Auswirkungen sind auch in Deutschland spürbar: Dürre verursacht Ernteausfälle, Waldschäden und Waldbrände, die verkohlte Landschaften wie in einigen Regionen Ostdeutschlands hinterlassen. Starkregen führt zu Flutkatastrophen wie im Ahrtal, gleichzeitig steigt der Meeresspiegel in Nord- und Ostsee an. Nicht zuletzt haben die extremen Temperaturen auch dramatische Auswirkungen auf die Gesundheit: Allein in Deutschland gibt es jedes Jahr Tausende Hitzetode zu beklagen.
Trotz dieser nicht zu übersehenden Entwicklungen hat das Leugnen des Klimawandels eine lange Geschichte: Früher waren es Buchautoren wie Michael Crichton oder Fritz Vahrenholt, die öffentlichkeitswirksam die eindeutigen Erkenntnisse der Klimaforschenden in Frage stellten. Heute bestreiten auch manche Politiker, dass sich die Erde erwärmt oder dass der Mensch den Klimawandel verursacht.
Günstige Voraussetzungen
Überhaupt die Politik, an der arbeitet sich Latif an dem Abend ab. Die Bundesregierung verfolge in der Klimapolitik einen Zickzack-Kurs statt der Industrie Planungssicherheit zu verschaffen. Und auch Politiker in anderen Ländern würden nicht zugeben, dass das Ziel längst gescheitert sei, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Aus welchen Gründen aber bleibt Latif trotz allem optimistisch? Er ist überzeugt, dass es gelingen kann, die Erderwärmung zumindest auf 2 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Die Voraussetzungen seien vorhanden: Erneuerbare Energiequellen im Überfluss sowie Technologie, Know-how und finanzielle Mittel, um diese Quellen zu nutzen.
„Warum sollten wir etwas tun und warum haben wir der Welt auch schon einen großen Dienst erwiesen?“, fragt er das Publikum und gibt selbst die Antwort: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz der Bundesregierung von 2000 habe die Entwicklung und Anwendung nachhaltiger Energien weltweit in Gang gesetzt. Heute kommt allein in Deutschland mehr als die Hälfte des Stroms in Deutschland aus nachhaltigen Energiequellen. „Hätten wir damals nicht angefangen, würden die erneuerbaren Energien heute nicht weltweit boomen. Das zeigt: Auch ein kleines Land wie Deutschland kann einen Impact haben“, ist sich Latif sicher.
Mehr Mut und Entschlossenheit
Seine Wünsche an Politik und Bevölkerung schildert Latif anschließend im Talk mit Moderator und Heilbronner-Stimme-Redakteur Tobias Wieland: Die Politik solle sich endlich von ihrem Schlingerkurs verabschieden und stattdessen einen Konsens in Klimafragen treffen und langfristig durchhalten. Es brauche mehr Mut: „Man muss immer erstmal anfangen. Bei 80 Millionen Menschen ist so viel Intelligenz vorhanden, da kriegt man alles gebacken.“ Und nicht zuletzt: „Wir sollten kein Volk von Bedenkenträgern werden und jede Veränderung ablehnen. Wenn wir uns nicht verändern, werden wir verändert – und zwar zu unserem Nachteil.“
Zur Aufzeichnung der Veranstaltung geht es hier. Die Bürger-Uni geht am 19. November 2025 weiter. Dann spricht Prof. Katharina Zweig über das Thema "Sind Maschinen die besseren Entscheider?"