Wie Lieferkettenfinanzierung zu mehr Resilienz führt
Neue Hinweise zu wirksamen Strategien lieferte der Supply Chain Finance Hub 2022 in Heilbronn.
Weltweite Krisen wie die Coronapandemie, der Ukraine-Krieg oder ein im Suezkanal stecken gebliebenes Containerschiff: Die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie fragil globale Lieferketten sind. Diese Herausforderung bedroht die Existenz vieler Unternehmen und Zulieferer. Denn der Ausfall eines Akteurs kann im schlimmsten Fall alles zum Stillstand bringen.
Die Betroffenen stellen sich zahlreiche Fragen: Welche Strategien können das Ruder herumreißen? Sind Unternehmen in der Lage, mit resilienten Lieferketten wenigstens einen Teil der Einbrüche abzuwenden oder die Wertschöpfungskette selbst zu beeinflussen? Und kann Supply Chain Finance (SCF) – auf Deutsch: Lieferkettenfinanzierung – zu mehr Resilienz beitragen?
Licht ins Dunkel brachte der letztjährige Supply Chain Finance Hub zum Thema „Increasing Resilience with Supply Chain Finance“. Einmal mehr waren hochkarätige Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft der Einladung gefolgt. Gemeinsam mit rund 200 Interessierten aus 25 Ländern diskutierten sie darüber, wie globale Lieferketten und damit auch die globale Wirtschaft in Zukunft stressresistenter gestaltet werden kann.
Moderiert wurde die virtuelle TUM-Veranstaltungsreihe von Prof. David Wuttke, Professor für Supply Chain Management am TUM Campus Heilbronn. „Wir brauchen innovative Ansätze für eine maßgeschneiderte Resilienz, die so individuell sind wie die Liefernetzwerke von Unternehmen“, betont Wuttke. „Unternehmen müssen ihre Lieferprozesse genau verstehen, die Flexibilität ihrer Netzwerke und auch die Grenzen derselben gut kennen, um Unvorhergesehenes besser managen zu können.“
Hier greift Supply Chain Finance. Wie ein Apfel die Gesundheit, unterstützt SCF die Funktionsfähigkeit von Liefernetzen. Einkaufende Unternehmen verlängern im Krisenfall Zahlungsziele und bezahlen ihre Lieferanten trotzdem. Die Zwischenfinanzierung übernimmt ein Finanzierungspartner. Für die Lieferanten ergibt sich aus der besseren Bonität ihrer Kunden ein Zinsvorteil. Dieses Plus an Liquidität stabilisiert die Lieferbeziehungen und erhöht dadurch die Handlungsfähigkeit und Flexibilität eines Unternehmens und dessen Handelspartner. Am Ende steigt damit die Resilienz – und das Risikomanagement profitiert.
„Die Anforderung, flexibel auf Unvorhergesehenes reagieren zu können, wird zu einem Umdenken im Risikomanagement führen“, prognostiziert Prof. Wuttke. Dies erfordere entlang der Lieferkette eine Harmonisierung der Waren-, Informations- und Finanzflüsse sowie einen Abgleich der oft konkurrierenden Ziele „Effizienz“ und „Resilienz“. „In dieser Frage muss jedes Unternehmen seine eigene Balance finden. Supply Chain Finance kann jedoch helfen, diese herzustellen“, resümiert Wuttke.
In aktuellen Studien untersucht Prof. Wuttke selbst, inwiefern innovative Finanzierungskonzepte für Lieferanten zu mehr Resilienz führen können. An der Schnittstelle von Management und Technologie erforscht er außerdem in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt, wie etwa der Einsatz von Blockchain-Technologie diese Ansätze unterstützen kann.