Die Welt zu Gast in Heilbronn
Seit mehr als 30 Jahren steht die International Conference on Architecture of Computing Systems für Spitzenforschung in den Bereichen Computerarchitektur und Betriebssysteme. Im Herbst vergangenen Jahres war der TUM Campus Heilbronn erstmals Gastgeber der Konferenz.
132.000 Terabyte Festplattenkapazität und 14 Billiarden mathematische Operationen pro Sekunde: Im September 2022 wurde am Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ) in Hamburg der neue Supercomputer „Levante“ eingeweiht. Die dort ansässigen Forscherinnen und Forscher verfolgen ein großes Ziel: Sie wollen mithilfe des Rechners einen digitalen Zwilling unseres Planeten erstellen, um noch genauere Klimavorhersagen treffen zu können.
Wo Licht ist, ist aber auch Schatten. Im Fall von „Levante“ bedeutet das: Stromverbrauch – und das nicht zu knapp. Bei einer Anschlussleistung von etwa 2 MW ergibt sich ein Jahresverbrauch von 18 GWh. Das entsprach vor dem Krieg in der Ukraine Stromkosten von circa fünf Millionen Euro. Der Preis für 2023 wird deutlich höher liegen. Selbst für das Klima wird sich dieses Geld womöglich nicht aufbringen lassen. Angesichts steigender Energiepreise drängt sich daher die Frage auf: Wie lassen sich diese komplexen Computersysteme optimieren, damit sie in Zukunft noch effizienter (und stromsparender) arbeiten?
Diese Fragestellung war Teil vieler Vorträge und Diskussionen der International Conference on Architecture of Computing Systems (ARCS 2022), die vom 13. bis 15. September 2022 erstmals in Heilbronn stattgefunden hat. Konferenzleiter Carsten Trinitis, Professor für Rechnerarchitektur und Betriebssysteme am TUM Campus Heilbronn, begrüßte ausgewiesene Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt. „Die ARCS ist eine Konferenz mit großer internationaler Strahlkraft“, erklärt Prof. Trinitis. „Für unsere Fachkreise bietet sie den optimalen Rahmen, um sich persönlich auszutauschen, inspirierende Ideen zu teilen und mutige Ansätze zu fördern. Bahnbrechende Veränderungen erfordern es schließlich manchmal, über den Tellerrand zu schauen.“
Die Themen, die in Heilbronn diskutiert wurden, sind zukunftsweisend, die Technologien vielleicht erst in 20 Jahren marktreif. Neben Energieeffizienz geht es beispielsweise auch um Organic Computing, also den Einsatz von selbstorganisierenden Systemen, die sich den jeweiligen Umgebungsbedürfnissen dynamisch anpassen. Als Vorbild dienen Strukturen und Methoden biologischer und anderer natürlicher Systeme. Dafür gibt es auf der ARCS 2022 einen sogenannten Special Track, normalerweise ein Parallelprogramm zum Hauptteil der Konferenz. „Wir wollten ein Thema fördern und im Programm haben, das noch nicht Mainstream ist“, betont Prof. Martin Schulz, Lehrstuhlinhaber für Rechnerarchitektur und Parallele Systeme im Department für Computer Engineering in der TUM School of Computation, Information and Technology, der die Konferenz gemeinsam mit Prof. Trinitis leitete. „Wie sonst soll es eines Tages Mainstream werden, wenn es nicht in Fachkreisen diskutiert wird.“
Bei allen Themen gebe es grob zwei Herangehensweisen, erklärt Prof. Schulz: Die einen versuchen, aus der bestehenden Architektur der Computersysteme das Beste herauszuholen und optimieren ihre Software darauf. Die anderen wollen neue Architekturkonzepte entwickeln. „Das ist genau das Spannungsfeld der Konferenz“, so Prof. Schulz. Die Hoffnung ist natürlich, dass sich entsprechende Ideen der Expertinnen und Experten über die künftige Architektur irgendwann bei den Herstellern durchsetzen.
In einem Bereich sind diese Hoffnungen besonders groß. Der Untertitel der ARCS 2022 lautete „Quantum Computing: The Dawning of a new Age?“ Auch wenn noch nicht allzu viele Konferenzvorträge das Thema direkt berührten, könnte diese Prognose umfassender sein als ursprünglich angenommen. Denn die Arbeit an Quantencomputern weist genau jene Eigenart auf, die in anderen Bereichen fehlt: „Zwischen den Herstellern von Quantencomputern und Anwendern gibt es einen intensiven Austausch“, erklärt Karen Wintersberger, Teilnehmerin der Konferenz und Physikerin bei Siemens. „Wir hoffen, dass wir Quantencomputer künftig einsetzen können, um die Produktion zu optimieren“, ergänzt sie. Denn das sind jene Anwendungsfälle, bei denen viele Daten und aufwendige Rechenoperationen anfallen. Aktuelle Quantencomputer sind jedoch noch zu leistungsschwach, d. h., sie brauchen wesentlich mehr Qubits (elementare Recheneinheiten eines Quantencomputers, Anm. d. Red.), und sie funktionieren noch nicht fehlerfrei.
Wann sich die großen Hoffnungen bestätigen, steht in den Sternen. Vielleicht werden es am Ende nicht die Quantencomputer selbst sein, die das neue Zeitalter einläuten, sondern die grenz- und fachübergreifende Zusammenarbeit, die anlässlich des erhofften Quantensprungs auf eine neue Ebene gehoben wurde.